Liebe Freunde,
eigentlich sollten wir statt Hausarrest ab in den Wald, so eine Woche mindestens, das heizt die Immunabwehr mal so richtig an, nachdenken geht auch prima und ein richtig guter Spielplatz für die kids ist es auch. Bewegung an frischer Luft, Vitamin D tanken, den Frühling genießen, klingt doch richtig verlockend, oder? Frühling ist eh ein bewährter Grippevirenkiller. Good bye Corona, war schön mit dir…
…leider wohl doch noch kein good bye, denn die Hausaufgaben sind noch nicht gemacht. Also unser Teil der Arbeit. Und der wäre?
Schaun wir doch lieber erst mal positiv, was ist denn alles schon erledigt?
OK, wir wissen jetzt, es ist möglich, mal eben innerhalb von 24 Stunden das Herzstück der deutschen Industrie, die VW-Produktion runter zu fahren. Vor 4 Wochen war das ausgeschlossen. Geht doch. Geht auch mit Kohlekraftwerken, warum nicht? Es geht eigentlich alles, was zur Rettung des Klimas erforderlich ist. Nicht in 30 Jahren, sondern in 30 Stunden, wenn wir das nur wollen. Nichts ist unmöglich. Wow, danke Corona.
Die grünen Lungen unserer Erde können sich erholen, weil wir Angst um unsere eigenen Lungen haben. Wenn es ginge, würde Mutter Erde Corona adoptieren.
Es musste sich etwas ändern. Ewiges, unendliches Wachstum in einer endlichen Welt – das sprengt die Grenzen der physikalischen Möglichkeiten dieses Universums. Normalerweise fährt der Karren an die Wand, also in dem Fall mal eben ein Planet. Wir haben keinen Krieg, keine Katastrophen, keine Gewalt, keine Revolution, softer gehts nicht. Wir haben lediglich ein bisschen Schocktherapie. Und es hat sich etwas geändert, also alles hat sich geändert. Und das eben vor dem unausweichlichen Crash. Puh, was für ein Timing, danke Corona.
- Eine Welle der Solidarität hat sich ausgebreitet, sogar Spiegel brachte eine Kolumne über Empathie (auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass Aika immer noch mehr davon versteht wie wir Menschen), Mitgefühl ist ein Thema, über das wir reden können
- Wir beschäftigen uns mit dem Thema Tod – naja, da gibts noch nachsitzen, fürchte ich, das ist einfach zu tabuisiert, wenn man nur rein materialistisch denkt
- Kinder organisieren selbstständig ihren Unterricht und praktizieren das Konzept der freien Schulen
- So viele Menschen finden neue kreative Lösungen und unterstützen sich dabei
- Wir sind so vernetzt wie nie zuvor, Corona betrifft jeden
- wir lernen, Kontakte wert zu schätze, jetzt, da sie auf ein Minimum beschränkt sind
- Beschränkt auf die eigenen 4 Wände, total zwangsentschleunigt und raus aus der Stressfalle – mal über sich zu reflektieren, sich den Spiegel vorzuhalten war überfällig und absolut not – wendig
Wenn ich alle positiven Aspekte aufzähle, die jetzt schon entstanden sind, sprengt der Newsletter jeden Rahmen.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten – die meisten von uns werden immer noch von der Angst regiert. Angst fährt die Kapazitäten der inneren Polizei runter, um alle verfügbaren Kräfte in den Kampf- / Fluchtmodus zu versetzen. Blöd nur, wenn der „Feind“ so winzig und unsichtbar ist, dass man ihn weder aufspiessen noch erschlagen kann. Angst vor Virus war bei Konstruktion unseres steinzeitlichen Gehirns gar nicht vorgesehen.
Das ist eine der Aufgaben, die noch getan werden wollen. Es gibt viele kluge Sachen dazu im Netz zu finden, was auf jeden Fall hilft, ist in Aktion kommen, sich bewegen, das signalisiert dem Hirn, Botschaft angekommen, Gefahr erkannt, Aktion eingeleitet und das Angstsystem darf wieder runterfahren. Singen, Tanzen, Humor, das alles hilft.
Gibt es etwas, das dich in Aktion bringt? Viele von euch vermissen Aikido, tanzen, den gewohnten Sport. Gibt es etwas, das du anbieten kannst? Aikidogymnastik online? Stock-Katas im Park (Abstand halten ist beim Umgang mit dem Stock naturgemäß eh schon eingebaut), Tai Chi, Chi Gong – es geht auch mit Distanz und ohne Worte. Gemeinsam tanzen über Zoom. Überleg dir was, wie du anderen dazu verhelfen kannst, wieder in Bewegung zu kommen. Du traust dir nicht zu etwas anzuleiten, aber du könntest etwas organisieren? Trau dich, jemanden zu fragen, sei mutig, zeig dich.
Nichts muss perfekt sein, wir fangen ja gerade erst an zu üben, wie wir uns unsere neue Welt gestalten wollen. Die alte Welt, die alte Normalität, so schön und gut wie es uns jetzt erscheint – so war es ja gar nicht und es wird nie wieder so werden, also trauere nicht – genieße diesen Zauber, der jedem Anfang inne wohnt, genieße diesen Tag!
Danke Corona!
Karin
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse, 4.5.1941