Liebe Freunde,
kennt ihr das auch?
Ihr habt ein tolles Seminar besucht, ein superkluges Buch gelesen, eine richtige schöne Erkenntnis gehabt, einen total aufrüttelnden und berührenden Film gesehen, ihr seid inspiriert, wollt etwas verändern, fangt enthusiastisch an – und nach ein paar Wochen stellt ihr fest, es ist alles wieder eingeschlafen…
OK, wenn es mir so richtig ans Eingemachte geht, das ist was anderes, aber ansonsten holt mich doch schnell der Alltag wieder ein und der schöne Höhenflug hat ein schnelles Ende. Warum ist das so?
Klar, da gibts diese innere Trägheit, die Materie, die ewig meinen Ideen und Wünschen und Visionen hinterherhinkt. Und außerdem gibts ja noch so viele andere spannende Dinge zu tun, zu lesen, zu schauen……so viel gabs noch nie. Und auch noch nie so viele Versprechungen, tolles Business aufstellen in wenigen Wochen, glücklich in ein paar Tagen, naja ihr kennt das ja – aber würdet ihr einen Ratgeber kaufen, auf dem steht, dass ihr ganz viel üben müsst und es auch dann noch nicht sicher ist, ob das alles so klappt?
Ich kaufe auch lieber einen Samen für meinen Garten wo drauf steht 100% Erfolg und dass gigantische Blüten oder eine Unzahl leckere Tomaten bei raus kommt. Naja, und dann kommt die Arbeit, für die ich ja nicht so die Zeit habe, also säen geht noch, aber gießen und umtopfen und zum richtigen Zeitpunkt raus setzen und wann war überhaupt der richtige Zeitpunkt noch mal? Keine Zeit mich mit zu beschäftigen. Außerdem bis da Blüten kommen oder Tomaten reifen, das dauert und dauert, so lange mag ich gar nicht warten…
Zu dem dauert und dauert hatten unsere Vorfahren vor gar nicht allzu langer Zeit noch ein ganz anderes Verhältnis. Es war überlebensnotwendig, den richtigen Zeitpunkt für Säen und Ernten zu kennen und das mit den Supermärkten an jeder Ecke war auch noch nicht so ausgereift.
Ist nicht diese Welt auch daran erkrankt, dass alle und alles immer mehr, schneller. höher, besser, dünner, dicker, optimierter sein muss? Dass Dinge nicht mehr ihre Zeit brauchen dürfen? Sogar Tiere schneller wachsen sollen, als ihnen und uns gut tut? Mit der Industrialisierung haben wir einen unglaublichen Reichtum gewonnen – selbst mit Hartz 4 gehts den meisten noch unvorstellbar viel besser als den allermeisten Menschen vor 100 Jahren.
Doch was sich nicht geändert hat, sind natürlich die natürlichen Zyklen. Schneller ist da halt nicht. Ein Baby braucht immer noch 9 Monate, bis es geboren wird. Funktioniert auch nicht mit 9 Frauen á 1 Monat. Jeder Baum nimmt sich seine Zeit bis er groß ist.
Vielleicht wird es an der Zeit, die Zeit anders zu betrachten. Einige von euch haben die Corona Zeit nutzen können, um zu „entschleunigen“. Was ja nichts anderes heißt, aus dem immer-schneller wieder angemessene Geschwindigkeit zu machen. So dass die Materie dem Geist hinterher kommt. Mich mal nicht verführen lasse vom schnellen Kick und dem schnellen Klick. Mir mal gönnen, dran zu bleiben. Lieber einen Samen setze und den ordentlich pflege, als 10 Tüten verteilen und mich dann was Neuem zuwende. Und mir auch beim Lernen und Üben und Umsetzen die Zeit zu lassen, die ich brauche. Mir mein Recht nehme auf meine Zeit und meine richtige Geschwindigkeit.
Eines der schönsten und bekanntesten Gedichte dazu stammt aus der Bibel:
Alles hat seine Zeit
und jegliches Vornehmen
unter dem Himmel seine Stunde.
Geborenwerden hat seine Zeit,
und Sterben hat seine Zeit;
Pflanzen hat seine Zeit,
und Gepflanztes ausreißen hat seine Zeit.
Töten hat seine Zeit, und Heilen hat seine Zeit;
Zerstören hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit.
Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit;
Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit.
Steine schleudern hat seine Zeit,
und Steine sammeln hat seine Zeit;
Umarmen hat seine Zeit,
und sich der Umarmung enthalten hat auch seine Zeit.
Suchen hat seine Zeit,
und Verlieren hat seine Zeit;
Aufbewahren hat seine Zeit,
und Wegwerfen hat seine Zeit.
Zerreißen hat seine Zeit,
und Flicken hat seine Zeit;
Schweigen hat seine Zeit,
und Reden hat seine Zeit.
Lieben hat seine Zeit,
und Hassen hat seine Zeit;
Krieg hat seine Zeit,
und Friede hat seine Zeit.
Was hat nun der, welcher solches tut,
für einen Gewinn bei dem, womit er sich abmüht?
Ich habe die Plage gesehen,
welche Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich damit abzuplagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch die Ewigkeit hat er in ihr Herz gelegt, da sonst der Mensch das Werk, welches Gott getan hat, nicht von Anfang bis zu Ende herausfinden könnte.
Alles hat seine Zeit (Prediger 3, 1-11)
In The Year 2525 Zager & Evans (50th Anniversary)
https://www.youtube.com/watch?v=nBO3mPTGuMo
Tut euch und uns allen den Gefallen und lasst euch die Zeit, die ihr braucht…
…und die Miniminiübung für heute?
Ganz einfach, schaut mal einem Baum beim Wachsen zu ;-))
Karin