Liebe Freunde,
irgendwann glaubte ich mal genau zu wissen, was gemeint ist. Mit Kommunismus und Kapitalismus, Antifa und Faschismus, mit links und rechts, Demokratie und Diktatur, konservativ und progresssiv. Doch die Welt der Worte ist ein tückisches Pflaster.
Grade fliegen sie wieder durch die Gegend. Die Schubladen. Wobei Schubladen ja eigentlich ungemein praktisch sind. Auch die Denkschubladen, weil wie sollte ich sonst diesen ganzen unverdaulichen Wust sortieren? Sehr hilfreich. Ein bisschen in schwarz-weiß gehalten, aber das macht die Sache ja noch viel einfacher. Also die komplizierte Sache mit dem richtig und dem falsch.
Noch lustiger wird es mit umgedeuteten Begriffen, der Klassiker dazu ist „Querdenken“. „Und liegt der Fall auch noch so schwer, wir bleiben cool und denken quer“ – gemeint ist nicht Querdenken Stuttgart 2020, sondern der Titelsong der „SoKo Wismar“ (ZDF) und zwar seit 2004. Und upps, ratzepatuff ist die weiße Schublade plötzlich schwarz.
Schwierig auch die inflationären Begriffe, an erster Stelle der Nazi. Wie im richtigen Spiel („Halt mal kurz“ von Marc-Uwe Kling) inzwischen ein Synonym für erst-draufhauen-dann-fragen. Auf der Strecke bzw. unauffällig und unbemerkt neben der Strecke bleiben und agieren die Gestalten, die man ursprünglich mal damit gemeint hat.
Kann natürlich ziemlich spannend sein, so eine Begriffsrecherche. Wenn ich so lese, dass Meinungsfreiheit unerlässlich für die Definition einer Demokratie ist. Und „im Unterschied zu einer Diktatur sind der Staatsgewalt in einer Demokratie die Mittel der vorbeugenden Informationskontrolle durch Zensur ausdrücklich verboten“ (Wikipedia). Außer zum Schutz der Jugend. Oder eben zum Schutz des Bürgers. Was in etwa dasselbe ist. Und mich irgendwie an so einige Klassenlehrer meiner Kinder erinnert, die auch immer unfehlbar wußten, was für die kids am besten ist.
Aber brauche ich diesen ganzen Schubladenkram überhaupt? Naja, wie schon gesagt, ist saupraktisch. Im Kopf will ich lieber sortiert sein als verwirrt. Und zum miteinander quatschen sind so Begriffe auch sehr praktisch. Wenn man dasselbe meint. Sonst taugt es eher zum Köpfe einschlagen.
Doch wie krieg ich das nur hin? Vielleicht braucht das Ganze einfach ein bisschen mehr Farbe und Schattierungen. Und eine Bereitschaft zum fröhlichen Umsortieren, Umdefinieren, Umdenken und ja, genau an der Stelle auch Querdenken. Als eine Art Anti-Schubladendenken. Und vielleicht sollte ich auch einfach aufhören, Menschen in diese Schubladen zu packen. Der Dalai Lama hatte das mal so schön gesagt, verurteile die Tat, aber nicht den Täter.
Das hat nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern erst mal knallhart mit mir selbst. Wenn ich aufhöre, den Menschen hinter den bösen und schlimmen Taten zu sehen, beschneide ich mich selbst in meiner Menschlichkeit. Wir glauben oft, dass wir mit Rache oder Strafe für den Täter das schreckliche Leiden, das sie verursachen besser aushalten. Funktioniert nur nicht. Jesus, Buddha und all die großen Lehrer der Menschheit, sie wussten, dass die Kranken am meisten des Arztes bedürfen und viele Taten ein schrecklicher Schrei nach Liebe sind.
Was mir immer hilft dabei sind die Kinder. Wer jemals ein Neugeborenes gesehen hat, der weiß, dass kein Mensch böse auf die Welt kommt, sondern als unendlich kostbares schöpferisch kreatives Wesen. Das leider viel zu oft bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, pervertiert und verbogen wird. Und darum funktioniert Rache nicht. Sie ändert nichts.
Buddha redet vom Mitgefühl. Jesus von der Liebe. Ich verstehe nicht so viel davon, ich bin keine Heilige. Aber Freundlichkeit und ein Lächeln ist schon mal ein guter Anfang denke ich. Jenseits aller Schubladen. So wie Aika, die hat das irgendwie eingebaut. Manchmal ist halt der Hund der bessere Lehrer.
In Liebe und Verbundenheit
Karin
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Da ich mich nicht entscheiden konnte gibt es heute 2 Songs:
„Teach your parents well
Their children’s hell will slowly go by“
Crosby, Stills, Nash & Young – Teach Your Children well, 1970
https://www.youtube.com/watch?v=EkaKwXddT_I
„Tell me why are we so blind to see
That the ones we hurt are you and me?“
Coolio – Gangsta’s Paradise
https://www.youtube.com/watch?v=fPO76Jlnz6c
Sodalith – Idealismus, (innere) Wahrheit, Bewußtsein, neue Muster trainieren, sich treu bleiben