Es war einmal ein Mäuserich und der war richtig vielbeschäftigt wie alle Mäuse, beschäftigt mit superwichtigen Mäusesachen eben. Und darin war er auch richtig gut, also mit den Mäusesachen, weil er richtig gründlich war. Zum richtig gründlich sein schnupperte er mit seinen Barthaaren öfter gründlich in der Luft herum. Und dabei, dann und wann, hörte er ein merkwürdiges Geräusch, so eine Art Rauschen. Dann hob er seinen Kopf, sträubte seine Barthaare und wunderte sich ein bisschen. Dieses komische Rauschen ließ ihn nicht in Ruhe, vielleicht war da ja irgendetwas nicht in Ordnung? So fragte er eines Tages einen anderen Mäuserich:“ Sag mal, Bruder, hörst du auch manchmal so ein merkwürdiges ein Rauschen in deinem Ohr?“ „Nein, nein“, antwortete der andere Mäuserich, ohne seine vielbeschäftigte Nase vom Boden zu heben. „Ich höre nichts. Außerdem habe ich zu tun, das siehst du doch. Wir können später reden.“ Dann stellte er einem anderen Mäuserich die gleiche Frage, doch dieser sah ihn ganz seltsam an. „Was für ein Geräusch? Hast du ein Problem? Vielleicht im Kopf?“ fragte er und schlüpfte in ein Loch im Stamm eines umgestürzten Baumes. Okay, er schien also der Einzige zu sein, der so was hörte, besser er vergaß diese Sache ganz schnell. Außerdem wollte er ja nicht für bekloppt gehalten werden oder alt und wunderlich.
Aber obwohl er sich ganz fest vorgenommen hatte, weg zu hören, da war schon wieder dieses Rauschen. Es war undeutlich, sehr undeutlich, aber es war einfach da! Und weil er eben so ein gründlicher Mäuserich war, konnte er die Sache einfach nicht auf sich beruhen lassen und entschloss sich, dieses seltsame Geräusch ein wenig zu erforschen. Nur ein ganz klein wenig. Er verließ die anderen vielbeschäftigten Mäuse und lief ein kurzes Stück. Sein kleines Mäuserichherz war ganz schön am Pochen, denn die Welt war ja für kleine Mäuse ganz schön gefährlich. Jederzeit konnten sie kommen, die Schatten, die Adler. Trotzdem hielt er immer wieder inne um zu horchen. Doch! Da war es! Und es war eindeutig lauter!
Er war eifrig am Horchen, als ihn plötzlich jemand grüßte.“Hallo, kleiner Bruder“, sagte eine sanfte, tiefe Stimme, und der Mäuserich sprang vor Schreck fast aus seiner Haut. Er wollte davonlaufen und verhedderte sich vor lauter Schreck und aus der Haut fahren mit seinen Füßen. „Hallo“, sagte die Stimme wieder. „Ich bin es, Bruder Waschbär.“ Der kleine Mäuserich wagte es, die Augen zu öffnen. Und tatsächlich, es war nur Bruder Waschbär. „Was machst du denn hier ganz alleine, kleiner Bruder?“ fragte der Waschbär. Dem Mäuserich war das jetzt so richtig peinlich nach dem ganzen Anfangspatzer, er errötete und versank fast im Boden. “ Ich höre immer so ein Rauschen in meinen Ohren und bin dabei, es zu erforschen“, antwortete er ziemlich schüchtern. „Ein Rauschen in deinen Ohren?“ erwiderte der Waschbär, während er sich neben ihn setzte. „Was du hörst, kleiner Bruder, ist der Fluss.“ „Häh? Fluss?“ fragte Mäuserich neugierig. „Was soll denn das sein, Fluss?“ „Komm einfach mit, und ich zeige dir den Fluss, Bruder Kleiner Mäuserich“, sagte Waschbär.
Von wegen einfach. Besagter Bruder Kleiner Mäuserich hatte furchtbare Angst – aber er war trotzdem wild entschlossen, sich ein für allemal über das Rauschen Klarheit zu verschaffen. „Wenn ich diesem Spuk endlich ein Ende setzen kann“, dachte er, „dann kann ich auch endlich wieder in Ruhe meiner Arbeit nachgehen, denn dann habe ich alles gründlich erforscht und möglicherweise kann dieses Fluss-Ding mir sogar für irgendwas nützlich sein, man weiß ja nie. Pah, und meine Brüder sagten alle, es wäre nichts. Denen werde es es zeigen! Und wenn ich mit Waschbär zurückkomme, dann habe ich sogar einen Beweis.“ „Ja, ja das wäre prima, Bruder Waschbär“, sagte Mäuserich. „Führe mich zum Fluss. Ich werde mit dir gehen.“
Kleiner Mäuserich ging also mit Bruder Waschbär. Er war ziemlich aufgeregt und sein kleines Herz hämmerte wie verrückt in der Brust. Bruder Waschbär führte ihn auf fremde Pfade, und Kleiner Mäuserich roch den Duft von vielen Dingen, die an diesem Weg vorbeigegangen waren. Viele Male fürchtete er sich so sehr, dass er beinahe umgekehrt wäre. Doch endlich kamen sie zum Fluss! Er war ungeheuer groß und atemberaubend, tief und klar an manchen Stellen und trübe an anderen. Kleiner Mäuserich war außerstande, über den Fluss zu sehen, weil er so groß war. Er brüllte, sang, schrie und donnerte auf seinem Weg. Kleiner Mäuserich sah große und kleine Stücke der Welt, die auf seiner Oberfläche fortgetragen wurden. „Er ist ziemlich mächtig!“ sagte der kleine Mäuserich, als er endlich seine Sprache wieder gefunden hatte. „Er ist eine große Sache“, antwortete der Waschbär, „aber erst mal möchte ich dich einem Freund vorstellen.“
An einer ruhigeren und seichteren Stelle war ein Polster aus lauter Seerosen, wo es nicht mehr ganz so doll rauschte, leuchtend und grün. Darauf saß ein Frosch, fast genauso grün wie das Polster. Man sah Bruder Frosch eigentlich nur wegen seinem weißen Bäuchlein. „Hallo, kleiner Bruder“, sagte der Frosch. „Willkommen am Fluss.“ „Ich bin dann mal weg“, unterbrach Waschbär, „aber hab keine Angst, Bruder Kleiner Mäuserich, Bruder Frosch wird nun für dich sorgen.“ Und Bruder Waschbär ging am Flussufer entlang, wo er seine Waschbärendinge machte und nach wasch- und essbarer Nahrung suchte.
Kleiner Mäuserich war das gar nicht recht, aber wenn er schon mal da war, wollte er auch wissen, was es mit dem Fluss-Ding so auf sich hatte. Er näherte sich sehr, sehr vorsichtig und blickte hinein. Und sah mitten in das Gesicht einer sehr verängstigten Maus. „Huch, wer bis du denn?“ fragte Kleiner Mäuserich das Spiegelbild. „Hast du keine Angst da so weit draußen im großen Fluss?“ „Nein“, antwortete der Frosch. „Ich habe keine Angst. Mir wurde bei meiner Geburt die Gabe gegeben, sowohl auf dem Fluss als auch in ihm zu leben. Wenn der Wintermann kommt und diese Medizin einfriert, kann ich nicht gesehen werden. Aber während der ganzen Zeit, in der der Donnervogel fliegt, bin ich hier. Um mich zu besuchen, muss man kommen, wenn die Welt grün ist. Ich, mein Bruder, bin der Hüter des Wassers.“ „Erstaunlich!“ sagte Kleiner Mäuserich, der wieder eine ganze Weile brauchte, bis er seine Sprache gefunden hatte.
„Möchtest du etwas Medizinmacht haben?“ fragte Bruder Frosch. „Medizinmacht? Ich?“ fragte Kleiner Mäuserich. „Oh,ja, ja! Wenn es möglich ist.“. Das war ja viel mehr, als er sich je erträumt hatte! „Dann duck dich, so tief du kannst, und spring so hoch wie du dazu imstande bist! Du wirst deine Medizin bekommen!“ sagte Bruder Frosch.
Kleiner Mäuserich tat genau das. Er duckte sich, so tief er konnte, und sprang. Als er es tat, traute er seinen Augen nicht: Das waren doch die Heiligen Berge! Ja, das waren sie! Dann aber fiel er zur Erde zurück und landete, na wo wohl? Im eiskalten Fluss! Klatschnass und in Todesangst krabbelte Kleiner Mäuserich zum Ufer zurück. „Du hast mich angelogen!“ schrie Kleiner Mäuserich den Frosch wütend an. „Hey, hey, stopp mal“, sagte der Frosch. „Du bist doch gar nicht verletzt. Lass dich durch deine Angst und deine Wut nicht blenden. Sag mir lieber: Was hast du gesehen?“ „Ich“, stotterte Kleiner Mäuserich, „ich, ich sah die Heiligen Berge!“ „Ja, du hast die heiligen Berge gesehen und du hast einen neuen Namen!“ sagte Frosch. „Er ist Springende Maus.“ „Ich danke dir. Ich danke dir“, sagte Springende Maus nun überglücklich und dankte ihm abermals. „Ich möchte nun zu meinem Volk zurückkehren und ihnen alles erzählen, was ich gesehen und erlebt habe.“ „Nun denn,“, sagte Bruder Frosch, „kehre zu deinem Volk zurück. Der Weg ist nicht schwer. Behalte einfach das Geräusch des Medizinflusses in deinem Rücken. Geh in entgegengesetzter Richtung zu dem Geräusch, und du wirst deine Mäusebrüder finden.“
So kehrte Springende Maus kehrte zur Welt der Mäuse zurück. Aber es war richtig, richtig enttäuschend. Keiner hörte ihm zu. Er war fort gewesen, kam zurück mit nassem Fell und glänzenden Augen und erzählte verrückte Geschichten von einem Flusswesen, das ihn nass gemacht hatte? Er wurde den anderen Mäusen etwas unheimlich. Sie bekamen Angst, denn sie glaubten, er sei aus dem Munde eines anderen Tieres ausgespuckt worden, eine andere Erklärung gab es nicht. Und sie wussten alle, dass, wenn er für das Tier, das ihn begehrt hatte, keine Nahrung gewesen war, musste er auch für sie Gift sein.
So lebte Springende Maus zwar wieder unter seinem Volk, aber nicht richtig mit ihnen. Und er konnte seine Vision von den Heiligen Bergen nicht vergessen. Die Erinnerung brannte im Geist und im Herzen von Springende Maus und er wollte nichts mehr, als die heiligen Berge noch einmal zu sehen. Er ging bis zum Rande des Ortes der Mäuse und blickte auf die Prärie. Er blickte hoch, um nach Adlern zu sehen. Der Himmel war voller Flecken, jeder einzelne ein Adler. Doch er wollte es wagen, er würde es wagen bis zu den Heiligen Bergen zu gehen. Er sammelte all seinen Mut und lief so schnell er konnte auf die Prärie. Sein kleines Herz hämmerte vor Aufregung und Angst. Er lief, bis er zu einer mit Salbei bewachsenen Stelle kam. Er blieb stehen und versuchte, wieder Luft zu schöpfen, als er eine alte Maus sah. Der Flecken Salbei, auf dem Alte Maus lebte, war ein idealer Zufluchtsort für Mäuse. Es gab massenhaft Samen, weiches Nestmaterial und auch sonst viele Dinge, um sich zu beschäftigen. „Hallo“, sagte Alte Maus. „Willkommen.“ Springende Maus war tief beeindruckt. Damit hatte er jetzt gar nicht gerechnet. So ein Platz und so eine Maus.
„Du bist wahrhaftig eine große Maus“, sagte Springende Maus mit all dem Respekt, den er aufbringen konnte. „Dies ist wahrhaftig ein wunderbarer Platz. Und die Adler können dich hier auch nicht sehen“, sagte Springende Maus. „Ja“, sagte Alte Maus, „und man kann von hier auf alle Wesen der Prärie herunter blicken: den Büffel, die Antilope, den Hasen und den Coyoten. Man kann sie alle von hier aus sehen und ihre Namen kennen lernen.“ „Das ist ja phantastisch“, sagte Springende Maus. „Kannst du auch den Fluss und die großen Berge sehen?“ „Ja und nein“, sagte Alte Maus mit Überzeugung. „Ich weiß, dass es den großen Fluss gibt, denn ich habe ihn auf meiner großen Reise gesehen. Aber ich befürchte, dass die großen Berge nur eine Sage sind. Auch ich hatte diese Sehnsucht, lass sie einfach los und bleib hier bei mir. Hier gibt es alles, was du möchtest, und es ist ein guter Platz zum Leben.“ Das war es sicher, ein richtig guter Platz zum Leben. „Aber wie kann er so etwas nur sagen?“ dachte Springende Maus. „Die Medizin der Heiligen Berge ist nicht etwas, das man vergessen kann.“ „Ich danke dir sehr für das gute Essen, Alte Maus, und auch dafür, dass du dein großes Heim mit mir geteilt hast“, sagte Springende Maus. „Aber ich muss die Heiligen Berge suchen.“ „Du bist ein dummer Mäuserich, wenn du von hier fortgehst. Es ist gefährlich auf der Prärie! Sie nur dort oben!“ sagte Alte Maus, mit noch mehr Überzeugung. „Sie all diese Flecken! Es sind Adler, und sie werden dich erwischen! Es gibt kein Entkommen.“
Es war ziemlich schwer für Springende Maus fortzugehen, aber er sammelte seinen ganzen Willen und lief einfach ganz schnell weiter. Das Gelände war schwierig für kleine Mäuseriche, aber lief mit aller Kraft und so schnell er konnte. Er konnte die Schatten der Flecken auf seinem Rücken fühlen, während er rannte. All diese Flecken! Endlich lief er in eine Gruppe von Wildbeerensträuchern hinein. Springende Maus konnte kaum seinen Augen trauen. Hier war es kühl und sehr geräumig. Es gab Wasser, Beeren und Samen zu fressen, Gräser zu sammeln für Nester, Löcher zu erforschen und viele, viele andere Beschäftigungen. Und da gab es auch eine große Menge von Dingen zum Sammeln. Ein phantastischer Ort, noch viel schöner und größer als bei Alte Maus.
Er war gerade dabei, seine neue Domäne zu erforschen, als er ein sehr schweres Atmen hörte. Ach du liebe Güte, hoffentlich nichts Schlimmes! Er forschte nach dem Geräusch und entdeckte einen großen Hügel aus Haaren mit schwarzen Hörnern. Es war ein riesiger, großer Büffel. Springende Maus konnte kaum die Größe des Wesens glauben, das er dort vor sich sah. Es war so groß, dass Springende Maus in eines seiner Hörner hätte hineinkriechen können. „So ein prachtvolles, einmaliges Wesen“, dachte Springende Maus und schlich sich näher heran. „Hallo, mein Bruder“, sagte der Büffel. „Ich danke dir für deinen Besuch.“ „Hallo, großes Wesen“, sagte Springende Maus. „Warum liegst du hier?“ „Ich bin krank und sterbe“, sagte Bruder Büffel, „ Ach du liebe Güte“ sage Springende Maus, „gibt es denn nichts, was dir helfen kann?“ „Doch, meine Medizin sagt mir, dass nur das Auge einer Maus mich heilen kann. Aber kleiner Bruder, so etwas wie eine Maus gibt es nicht.“
Springende Maus war erschüttert. „Eines meiner Augen!“ dachte er. „Eines meiner winzigen Augen.“ Er huschte zu den Wildbeerensträuchern zurück. Das Atmen wurde schwerer und langsamer. „Er wird sterben“, dachte Springende Maus, „wenn ich ihm nicht eines meiner Augen gebe. Er ist ein zu großes und prächtiges Geschöpf, um ihn sterben zu lassen.“ Er ging dorthin zurück, wo der Büffel lag, und sprach: „ Ich bin eine Maus“, sagte er mit zitternder Stimme. „Und du, mein Bruder, bist ein großes Wesen. Ich kann dich nicht sterben lassen. Ich habe zwei Augen, also kannst du eines davon haben.“ Im gleichen Augenblick, als er es sagte, flog Springende Maus` Auge aus seinem Kopf heraus, und der Büffel war geheilt. Der Büffel sprang auf und erschütterte die ganze Welt von Springende Maus. „Ich danke dir, mein kleiner Bruder“, sagte Bruder Büffel. „Ich weiß von deiner Suche nach den Heiligen Bergen und von deinem Besuch am Fluss. Du hast mir das Leben geschenkt, so dass ich den Menschen Gaben machen kann. Ich werde für immer dein Bruder sein. Lauf einfach unter meinem Bauch, und ich werde dich bis zum Fuß der Heiligen Berge bringen, und bis dorthin brauchst du dich nicht vor den Flecken zu fürchten. Die Adler können dich nicht sehen, während du unter mir läufst. Alles, was sie sehen werden, ist der Rücken eines Büffels. Doch weiter kann ich dich nicht bringen, Ich stamme aus der Prärie und würde auf dich fallen, wenn ich versuchen würde, die Berge hinaufzugehen.“
Kleiner Mäuserich lief also unter dem Büffel, geschützt und versteckt vor den Flecken, aber was für ein Horror für eine kleine Maus und das mit nur einem Auge! Die großen Hufe des Büffels waren scharf und erschütterten die ganze Welt jedes Mal, wenn er einen Schritt machte und außerdem war Bruder Büffel ziemlich schnell. Doch sie kamen gut voran und nach nicht allzu langer Zeit, die Springender Maus jedoch sehr lange vorkam, blieb Bruder Büffel stehen. „Hier muss ich dich verlassen, kleiner Bruder“, sagte Bruder Büffel. „Ich danke dir sehr“, sagte Springende Maus. „trotzdem war es ziemlich beängstigend, unter dir mit nur einem Auge zu laufen. Ich war ständig in Furcht vor deinen erderschütternden Hufen.“ „Deine Angst war umsonst“, sagte Bruder Büffel. „Denn meine Art des Gehens ist der Sonnentanzweg, und ich weiß immer, worauf meine Hufe fallen werden. Ich muss nun in die Prärie zurückkehren, mein Bruder. Du kannst mich dort immer finden.“
Springende Maus begann also von Neuem, gründlich wie er nun mal war, seine neue Umgebung zu untersuchen. Da waren sogar noch mehr Dinge als an den anderen Plätzen, mehr Beschäftigungen und eine Vielfalt von Samen und anderen Sachen, die Mäuse mögen. Doch bei der Untersuchung all dieser wunderbaren Sachen stieß er plötzlich auf einen großen grauen Wolf, der einfach nur wie blöde da saß und absolut nichts tat. „Hallo, Bruder Wolf“, sagte Springende Maus. Die Ohren des Wolfes wurden aufmerksam, und seine Augen leuchteten. „Wolf! Wolf! Ja, das ist es, was ich bin, ich bin ein Wolf!“ Aber dann erblasste sein Gesicht wieder, und es dauerte nicht lange, bis er wieder still da saß, ohne sich zu erinnern, wer er war. Springende Maus sagte wieder und wieder „Hallo, Bruder Wolf“ und versuchte es in allen Sprachen, die er kannte. Und jedes mal, wenn Springende Maus ihn ansprach, erinnerte sich Bruder Wolf wer er war, doch vergaß es sofort wieder. „So ein großes, prächtiges Wesen“, dachte Springende Maus, „aber er hat kein Gedächtnis.“
Springende Maus ging zum Mittelpunkt dieses neuen Ortes und war still. Er lauschte sehr lange dem Pochen seines Herzens. Dann war er plötzlich entschlossen. Er wusste, was er tun musste und huschte dorthin zurück, wo der Wolf saß, und sprach Bruder Wolf erneut an.
„Bruder Wolf“, sagte Springende Maus…. „Wolf! Wolf!“ sagte der Wolf… „Bitte, Bruder Wolf“, sagte Springende Maus, „bitte hör mich an. Ich weiß, was dich heilen wird. Es ist eines meiner Augen. Und ich möchte es dir geben. Du bist ein größeres Wesen als ich. Ich bin nur eine Maus. Bitte nimm es an.“ Als Springende Maus aufhörte zu sprechen, flog sein Auge aus seinem Kopf, und der Wolf war geheilt. Tränen flossen die Backen des Wolfes herab, aber sein kleiner Bruder konnte sie nicht sehen, denn er war jetzt blind. „Du bist ein wahrhaftig großer Bruder“, sagte der Wolf, „denn jetzt habe ich mein Gedächtnis zurück. Aber nun bist du blind. Doch ich bin der Führer zu den Heiligen Bergen. Ich werde dich hinbringen. Dort ist ein großer Medizinsee. Es ist der schönste See der Welt. Die gesamte Welt spiegelt sich darin. Alle Menschen, die Zelthäuser der Menschen und all die Wesen der Prärie und des Himmels.“ „Bitte bring mich hin, auch wenn ich die Schönheit des Sees nicht sehen kann – zu den heiligen Bergen zu gelangen ist mein größter Wunsch“, sagte Springende Maus.
Der Wolf führte ihn, sie kamen durch duftende Tannen und stiegen immer höher, bis sie den Medizinsee erreichten. Springende Maus trank das Wasser aus dem See. Dann stiegen sie höher bis auf einen Felsvorsprung über dem See. Bruder Wolf beschrieb ihm die Schönheit des Sees und der Welt, die sich darin spiegelte. „Ich muss dich hier verlassen“, sagte der Wolf, „denn ich muss zurückkehren, damit ich andere führen kann, aber ich werde so lange bei dir bleiben, wie du es wünscht.“ „Ich danke dir, mein Bruder“, sagte Springende Maus, „aber obwohl ich Angst davor habe, allein zu sein, weiß ich, dass du gehen musst, um anderen den Weg zu diesem Platz zu zeigen. Ich habe die heiligen Berge erreicht, mein Weg ist hier zu Ende.“
Auch wenn er ganz taff gesprochen hatte. Springende Maus saß nun da und zitterte vor Angst. Sein Leben ging hier zu Ende, das wusste er. Das wusste er schon, als er Bruder Wolf sein letztes Auge gegeben hatte. Er wusste, dass ihn hier ein Adler finden würde. Es war sinnlos fort zu laufen, denn er war blind. Schon fühlte er einen Schatten auf seinem Rücken und hörte das Geräusch, das Adler machen. Er spannte sich an für den Schlag. Und der Adler traf!
Springende Maus schlief ein. Dann wachte er auf. Er wachte auf? Die Überraschung, noch am Leben zu sein, war groß, aber – aber er konnte sehen! Alles war zwar verschwommen, aber die Farben waren wunderschön. „Ich kann sehen! Ich kann sehen!“ rief Springende Maus immer wieder. Eine verschwommene Form kam auf Springende Maus zu. Springende Maus kniff die Augen fest zusammen, aber die Form blieb verschwommen. „Hallo, Bruder“, sagte eine Stimme. „Willst du etwas Medizin?“ „Etwas Medizin für mich?“ fragte Springende Maus. „Ja! Ja!“ „Dann duck dich so tief du kannst“ sagte die Stimme, „und spring so hoch du kannst.“ Springende Maus tat einfach, was ihm die Stimme sagte. Er duckte sich so tief er konnte und sprang! Der Wind fing ihn auf und trug ihn höher. „Hab keine Angst“, rief ihm die Stimme zu. „Klammere dich an den Wind und hab Vertrauen!“
Und Springende Maus tat es. Er schloss seine Augen und klammerte sich an den Wind, und der trug ihn höher und höher. Da öffnete Springende Maus seine Augen wieder und sie waren ganz klar. Und je höher er kam, desto klarer wurden sie. Springende Maus sah seinen alten Freund auf einem Seerosenpolster auf dem wunderschönen Medizinsee. Es war Bruder Frosch.
„Du hast einen neuen Namen“, rief Bruder Frosch. „Dein Name ist jetzt Adler!“